Die Sustainability Story von Emma Roach

July 10, 2022

Die Sustainability Story von Emma Roach

Zu Beginn möchte ich einen Einblick in meine ganz persönliche Nachhaltigkeits-Journey geben. In diesem Interview teile ich meinen Werdegang von der Umweltwissenschaftlerin zur Nachhaltigkeitsberaterin ebenso wie meine Gedanken zur EU-Taxonomie und Fynn Kliemann.

Wann hast du dir zum ersten Mal Gedanken über Nachhaltigkeit gemacht?

Meine Mutter war sehr nachhaltigkeitsverbunden und hat uns Kinder viel auf Bauernhöfe und in die Natur mitgenommen. Sie hat uns erklärt, wie aus Kaulquappen Frösche werden, wie Ökosysteme funktionieren und auch, dass man die Umwelt schützen und erhalten sollte. Obwohl ich im Hamburger Umland aufgewachsen bin, bin ich also eng mit der Natur groß geworden.

Als ich 15 war, schenkte mir mein Vater das Buch „Eine unbequeme Wahrheit“ von Al Gore. Ich erinnere mich noch genau, an das weiße Hardcover mit der Erde darauf. Dieses Buch hat mich im wahrsten Sinne des Wortes bewegt, weil ich das erste Mal wirklich begriffen habe, dass unsere Welt, wie wir sie kennen, in Gefahr ist. Das hat mich auf den Weg gebracht, einen Unterschied zu machen. Deswegen habe ich Umweltwissenschaften studiert.

Wo stehst du gerade in deiner Nachhaltigkeits-Journey?

Ich bin gerade an einem Punkt, wo sich mein komplettes berufliches und privates Leben um Nachhaltigkeit dreht. Als Gründerin der Nachhaltigkeitsberatung Orbiture baue ich ein Team auf, das Unternehmen in ihrer nachhaltigen Transformation begleitet.

Für mich bietet Orbiture dabei zwei Hebel: zum einen kann ich in Kundenprojekten Nachhaltigkeitsimpulse da setzen, wo sie etwas bewegen: bei Finanzinstituten. Zum anderen baue ich mir ein Team und ein Arbeitsumfeld auf, dass es uns ermöglicht ein nachhaltigeres Leben zu führen.

Konkret heißt das für mich, dass wir unsere Arbeitszeit- und Rollen gemeinsam gestalten. Aber mir ist es auch wichtig, Wissen rund um Nachhaltigkeit zu vermitteln, dass über die „Basics“ hinaus geht. In meinen Augen, und das sage ich natürlich als Umweltwissenschaftlerin, müsste jeder ESG-Berater die naturwissenschaftliche Basis der Nachhaltigkeit verstehen können um in der Lage zu sein Dinge zu hinterfragen und sich nicht durch einfache Antworten blenden zu lassen.

Durch die Freiheit, die ich mir mit Orbiture geschaffen habe, kann ich mir einen Lebenstraum erfüllen und renoviere ein Granithaus in Portugal in Lehmbauweise. Low-tech, mit geschlossenem Wasserkreislauf und viel Wissen aus traditioneller Architektur. Ich fühle mich im Minimalismus sehr wohl, ernähre mich vegetarisch und bin im dritten Jahr ohne Flug. Weder Kurz- noch Langstrecke. Momentan spiele ich mit dem Gedanken, Segeln zu lernen, um meiner Lust aufs Reisen nachzugehen und die Welt auf eine langsame und nachhaltige Weise zu entdecken.

Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich über zehn Jahre gebraucht habe, um an diesem Punkt meiner Journey sein. Es gab Zeiten, da war ich von Veganern genervt, weil sie die Restaurantauswahl so schwierig machen und meine Schuhsammlung einen eigenen Flur gebrauchte hätte. Damals hätte ich vieles was ich heute tue als Einschränkung meiner Freiheit empfunden. Heute bin ich frei, eben weil ich diese Dinge nicht mehr brauche.

Warum ist dir Nachhaltigkeit wichtig?

Weil Nachhaltigkeit die Grundlage für unser Leben (und Wirtschaften) ist. Für mich bedeutet Nachhaltigkeit in Balance zu sein: In Balance mit mir selbst, mit meinen Mitmenschen und mit dem was mich umgibt. Disbalancen, also die Anhäufung von Energie an einem Ort, werden unweigerlich wieder abgebaut – sind also nicht nachhaltig. Wollen wir ein Unternehmen oder eine Aktivität aufrecht erhalten, die nicht nachhaltig ist, investieren wir viel Energie (Zeit & Geld) in deren Erhalt und können den unweigerlichen Kollaps des Systems dennoch nicht verhindern. Das macht für mich keinen Sinn.

Wenn du als Beraterin für Nachhaltigkeit in ein Unternehmen kommst, was ist der erste Schritt?

Ich versuche zu verstehen, wo das Unternehmen steht, was schon in Sachen Nachhaltigkeit passiert ist, was die Hürden sind und wer die Menschen sind, die diesen Wandel treiben oder blockieren. Ich sammle sehr viel Information, um ein Gefühl dafür bekommen, mit wem ich es eigentlich zu tun habe.

Hast du manchmal das Gefühl, du rennst gegen eine Wand, wenn du versuchst, Finanzunternehmen nachhaltiger zu machen? Wie überwindest du diese Hürde?

Ich denke, es ist ein bisschen abstrakt, über Unternehmen zu sprechen. Am Ende des Tages bestehen die Unternehmen aus einzelnen Menschen und die Menschen sind unterschiedlich weit in ihrer Nachhaltigkeits-Journey. Einige schwimmen voran und versuchen, die Organisation mitzuziehen und andere leben einfach noch in einer anderen Wertewelt. Aber da habe ich dann nicht das Gefühl, gegen eine Wand zu rennen, im Gegenteil, das spornt mich eher an! Ich möchte diese Menschen erreichen und inspirieren, ohne ihnen das Gefühl zu geben, dass sie bevormundet werden.

Welchen super umsetzbaren Tipp hast du, wie man ein Unternehmen im Handumdrehen etwas nachhaltiger machen kann?

Weder privat noch in Unternehmen passiert die nachhaltige Transformation im Handumdrehen. Es ist ein Prozess, ein Erkenntnisweg. Aber eine Grundvoraussetzung für schnelle Umsetzungen ist Entschlossenheit. Wenn man entschlossen ist, dann wird man den Weg schon finden und Hürden überwinden. In Unternehmen bedeutet das vor allem, dass sich das Management für den nachhaltigen Weg entscheidet.

Ist Sustainable Finance nicht ein furchtbar trockenes Thema?

Auf keinen Fall! Sustainable Finance ist eines der spannendsten Themen, die es gibt, weil der Hebel so riesig groß ist. Man kann über Finanzinstitute einfach so viel Geld steuern. Dieser Gedanke fasziniert mich und treibt mich an, weswegen ich das Thema überhaupt nicht trocken finde.

Welchen Nachhaltigkeits-Fail hast du in letzter Zeit gesehen?

Der Krieg in der Ukraine hat viele Diskussionen, die wir eigentlich schon abgehakt hatten, wieder aufgeworfen. Zum Beispiel das Thema Energienutzung oder auch die Frage, ob Waffen sozial nachhaltig sind oder nicht. Ich habe das Gefühl, wir lassen uns gerade von Ängsten treiben und auch zu grundlegenden Entscheidungen bewegen, die weder mittel- noch langfristig gut für uns sind. Ich habe die Auswirkungen von bewaffneten Konflikten auf Menschen und Ökosysteme in Syrien und im Jemen erlebt und dort das Gegenteil von Nachhaltigkeit gesehen.

Was sagst du zu Fynn Kliemann?

Autsch. Das hat mich getroffen. Fynn Kliemann war ein Idol für mich – Ein Social Business Macher-Typ aus Norddeutschland. Da konnte ich mich drin sehen. Die Geschichte zeigt mir deutlich, dass es gute Governance-Strukturen braucht, um Geld nicht zum Selbstzweck werden zu lassen. Denn mit Geld kann man unglaublich viel bewegen, aber um seinen Werten treu zu bleiben, reichen gute Absicht nicht.

Was hat dir dieses Jahr bereits Hoffnung gegeben, dass wir die nachhaltige Transformation schaffen können?

Mir hat sehr viel Hoffnung gegeben, dass sich der Wirtschafts- und Umweltausschuss des EU-Parlaments dazu entschieden hat, Atomkraft und Gas nicht als nachhaltige Energie mit in die EU-Taxonomie aufzunehmen.

Was sagst du zur EU-Taxonomie?

Die EU-Taxonomie ist großartig. Es ist ein bedeutsames Werk und ich bin gespannt auf die vielen Weiterentwicklungen und Spezifizierungen, die da noch kommen.

Welchen super umsetzbaren Tipp hast du, wie man seinen Alltag im Handumdrehen etwas nachhaltiger machen kann?

Für mich ist das wie bei allem, bei dem man erfolgreich sein möchte: sei ehrlich zu dir selbst und bleib dran. Das gilt im Unternehmen wie auch privat: Verstehe wo du stehst, was dich daran hindert nachhaltiger zu leben und entwickle für dich umsetzbare Lösungen, die Stück für Stück zu Gewohnheiten werden.

Mir hat dabei sehr geholfen die emotionale Distanz zu meinen Handlungen zu reduzieren. Das heißt wenn ich so einen krassen Impuls habe, wo ich etwas einfach will, führe ich mir vor Augen die Auswirkungen meines Handeln vor Augen. Ich fühle in mich hinein ob ich wirklich mit den Konsequenzen leben könnte. Will ich durch meinen Job wirklich zu einer solchen Welt beitragen? Möchte ich durch meine Lust auf ein Schmuckstück den Raubbau an Menschen und Natur verantworten? Könnte ich dieses Tier für meinen Genuss ausbeuten?

Am Ende des Tages sind es diese Momente, die darüber entscheiden ob sich unser Wissen in Handlungen überträgt.

Du sagst, nicht der Klimawandel ist das Problem, sondern Egoismus, Gier und Apathie und dass wir ein neues Zielbild und neue Glaubenssätze brauchen. Wie sieht dieses Zielbild und diese Glaubenssätze deiner Meinung nach aus?

Um ehrlich zu sein, weiß ich das noch nicht genau. Ich glaube, auch als Gesellschaft haben wir da noch keine Antwort drauf. Wir hatten immer Ziele vor Augen: schneller werden und mehr haben. Was könnten Ziele sein, wenn schneller und mehr unsere Lebensgrundlage zerstört?

Ich glaube, dass wir in einer Sinnkrise stecken, die sich u.a. in der „Purpose“ Suche bei Individuen und Unternehmen zeigt. In unserer Gesellschaft definieren wir Status und Zugehörigkeit über Konsum: „Ich bin gut, wenn ich habe.”

Das ist ein Mechanismus, mit dem wir uns selbst in ein Hamsterrad bewegen und Lebenszeit gegen Dinge tauschen, deren wahren Preis andere zahlen. Dabei bekommen wir nie genug, weil wir die Ursache nicht angehen. Und uns fehlt die Zeit über uns selbst hinaus zu denken, Beziehungen und die Natur um uns herum zu pflegen.  

In meiner Utopie tauschen wir haben gegen sein. Dadurch sind wir in Balance mit uns selbst und brauchen weniger, weil wir aus der Fülle schöpfen. Wir schaffen Zeit für Empathie, und Fürsorge für das, was uns umgibt.

Illustration von
Gary Widodo

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